Vielleicht ist die Zeit auch so etwas wie ein riesiges Gebilde einzeln schwingender Ereignisse, die rotierend und vibrierend den Eindruck eines Aufbaus, einer Reihenfolge, einer Logik und einer Messbarkeit vorgeben.

Heike Pillemann steht in dauerndem Dialog mit den Dingen und Situationen ihrer Umwelt, befragt sie insistierend, erkundet sie, reagiert auf sie reflektierend, malend, zeichnend. Sie entdeckt an Gegenständen und Menschen Eigenheiten, Macken, Absonderlichkeiten, allerhand Skurriles, Unterschwelliges und abstruse Auffälligkeiten, die unserem Blick eher entgehen. Im Gewöhnlichen fallen ihr bislang unbeachtete Aspekte auf. Ihre Fundgruben sind das Alltägliche. Aus der Befragung von Gesehenem, Beobachtetem gewinnt sie ihre Figuren, Bildchiffren und graphischen Kürzel.
Im Zeichen- und Malprozess wird aus dem Auflesen ein Einbetten, aus dem Entdecken ein Verstecken, aus dem Finden ein Verrätseln, aus Zergliedertem das Fügen zu neuer Ganzheit.

Aber auch diese ist bei ihr oft vorläufig, wird, wenn für nötig erachtet, revidiert, teilweise gelöscht, übermalt und so in andere Zusammenhänge gestellt. Spürt sie, dass das Vorantreiben eines Bildarrangements sie zu sehr in die Enge treibt, befreit sie sich entschieden durch einen anderen Ansatz. Insofern sind ihre Bilder nichts nach Plan Gebautes. Vielmehr eignet ihnen etwas Kybernetisches, d. h. der von ihr initiierte Prozess unterliegt in seinem weiteren Fortgang wachsamer Kontrolle, Steuerung und der Kanalisierung selbstentfalteter Energien.
Die Gegenstände sind ihr dabei im Wortsinn Widerstände, und gleichzeitig entsteht im Fortschreiten des Malens und Zeichnens eine positive, befruchtende, wachsende Beziehung zu ihnen.

Zeichnen ist für Heike Pillemann ein Angezogensein, ein naseweises Beschnuppern, ein zaghaftes Anklopfen, ein schrittweises Annähern, Herantasten und ein Entdecken von immer mehr vielversprechenden Facetten. John Berger beschrieb das so: „For the artist, drawing is discovery. And that is not just a slick phrase; it is quite literally true.”

Anton Schmid (Auszug aus der Eröffnungsrede der Ausstellung „Zeitverstecke“ in der Galerie 13, Freising, 2018)

Supermarkt, 2022, Acryl, Tusche auf Papier collagiert, 23,5 x 25 cm

Große Figur, 2009, Eitempera, Kreide auf Papier, 73 x 50 cm

Zeitendreher, 2020, Eitempera auf Papier, 77 x 82 cm

Eifrige Passanten, 2013, Collage, Eitempera auf Papier, ca. 45 x 30 cm

Wartesaal, 2021, Eitempera auf Papier aufgezogen, 65 x 89 cm

Ich sags mal so: No, 2020, Acryl auf Papier, 29,5 x 42 cm

Aus Bus, 2010, Kreiden, Eitempera auf Papier, 110 x 150 cm

Küche mit Tier, 2009,  Acryl/Tusche auf Papier, 42 x 62 cm

Vielen Dank, wir hatten schon, 2014, Eitempera auf Karton, 42 x 48 cm

Tee, 2009, Eitempera auf Papier, 80 x 40 cm

Gibt Zeit, 2022, Eitempera auf Papier, 62 x 85 cm

Du Sau, 2016, Tempera, Tusche auf Papier, 29,7 x 42 cm

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